• martin

Enneuni

"Eine Frau sass am Wegsaum, Andreas sah sie von fern. Sie sass wie eine, die sich müde an einem Wasser gelagert hat und nun still, ohne Gedanken, den Wellen zusieht, die fliessen.- Als er dann aber bei ihr stehenblieb, erkannte er gleich, wer sie war. Zwischen den starr und doch lieblich geordneten Falten ihres dunklen Mantels sass sie wie zwischen lauter Gold und Edelsteine. Und doch war sie so, grau und schlicht - unscheinbar, wie ein Weibchen am Wege. Zwischen dem schwärzlichen Stoff ihres Kleides hingen ihre Hände so müde, als hätten sie den ganzen Tag Mildes getan und viel angefasst.
Andreas erkannte sie wohl. Aber er wagte es nicht, ihr, auch im stillen nur, einen Namen zu geben. Alle Worte, die sie bezeichnen sollten und die andere Beter sich für sie ausgedacht hatten, kamen ihm zu gering und auch wieder zu pomphaft vor, für ihre zarteste Lieblichkeit. Da wollte er einen neuen Namen für sie erfinden, eine neue Formel für ihre Heiligkeit, den frommsten Laut. - Aber es fiel ihm nichts ein.
So stand er vor ihr, und da er kein Wort für sie wusste, mit dem er ihr hätte huldigen können, streckte er ihr seine Rosenkranzkette hin, die er sich doch fürs letzte Geld gekauft hatte. Er hielt sie ihr hin - aber da schüttelte die Mutter Gottes den Kopf. Und gleich begreift es Andreas. ..."